North Ronaldsay Schafe
North Ronaldsay ist die nördlichste der Orkney Inseln. Dort lebt eine Rasse Nordeuropäischer Kurzschwanzschafe, die North Ronaldsay Sheep. Sie bewohnen diese Insel seit Jahrhunderten und es hat keinen genetischen Zufluss modernerer Schafrassen gegeben.
1832 sind Rinder auf der Insel eingeführt worden, deren Haltung den Inselbewohnern ertragreicher erschien, als die Schafzucht. Diese Rinder brauchen Gras für ihre Ernährung, die Schafe waren ihre Konkurrenten. Angesichts der Tatsache, dass Schafe genügsamere Tiere als Rinder sind, verbannte man sie von den Wiesen im Innern der Insel, die fortan den Kühen vorbehalten blieben. Man baute einen steinernen Wall um das Grasland, den Schafsdeich. So konnten die Schafe nur noch an den unwegsameren Küsten Nahrung finden. Dort fraßen sie die angespülten oder bei Ebbe frei liegenden Algen. Im Laufe der Zeit haben sie sich so sehr an ihre Algennahrung angepasst, dass ihr Stoffwechsel größere Mengen an Gras nicht mehr verträgt. Der Erhalt der Rasse ist abhängig davon, dass der Schafsdeich intakt bleibt und die Schafe vom Grasland fernhält. Die Instandhaltung war früher eine Gemeinschaftsangelegenheit der Inselbewohner, ebenso wie das Scheren der Schafe. Da aber die Zahl der menschlichen Bewohner stark zurück gegangen ist und die wenigen neu zugereisten sich nicht für die Schafe und deren Haltung interessieren, ist diese alte Tierrasse gefährdet. Eine Lösung des Problems ergab sich aus dem 2016 ins Leben gerufenen zweiwöchigen jährlich stattfindenden North Ronaldsay Sheep Festival, das Freiwillige auf die Insel bringt, die helfen, den Deich zu reparieren und die Schafe zu scheren. Im Anschluss an die getane Arbeit wird natürlich getanzt und gefeiert.
https://www.atlasobscura.com/articles/seaweed-sheep-north-ronaldsay-orkney-festival
Ich finde diese Geschichte spannend – nicht nur, weil hier ein Genpool einer prähistorischen Schafsrasse erhalten geblieben ist und sich diese Rasse in den letzten fast zweihundert Jahren in Bezug auf ihre Ernährung so stark spezialisiert hat, sondern auch, weil ich mich frage, ob sich die Wolle dieser Schafe von anderen unterscheidet, die sich in ihrer Nahrung nicht so spezialisiert haben. Ich habe mir gewaschenes Vlies besorgen können – leider kein komplett rohes Vlies und habe mich an die Verarbeitung gemacht. Erwartet hatte ich, dass sich in dem Vlies Deckhaare und Unterwolle finden würden – ebenso wie bei den Islandschafen, die auch zu den nordischen Kurzschwanzschafen gehören. Das war bei meinem gewaschenen North Ronaldsay Vlies aber nicht der Fall. Ob die Deckhaare schon entfernt wurden? Wie oben auf dem Foto zu sehen sind, gibt es viele verschiedene Farbschläge der Schafe. Anderen als dem grauen werde ich mich noch widmen.
Hier sieht man den ersten Teil des Garnes, das ich aus dem Vlies der North Ronaldsay Schafe gesponnen habe. Die Fasern lassen sich wunderbar fein ausziehen und der Faden hat eine interessante Farbigkeit. Leider wird diese hübsche melierte Farbe von verhältnismäßig dicken schwarzen Haaren im Vlies hervorgerufen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Stichelhaare sind. Wenn ja und wenn diese dunklen Fasern ihrem Namen alle Ehre machen, wird das noch herzustellende Strickwerk nicht in der Nähe meiner Hautoberfläche getragen werden können. Aber es folgen ja noch eine Reihe weiterer Verarbeitungsschritte: Zwirnen, baden, dann erst stricken. Dann erst lassen sich die Eigenschaften der Wolle wirklich erkennen.
Kommentar schreiben